unplugged.at: text #54 / martin krusche / portraits

(Soziales, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Maria Eberl / Tagesmutter
Von Martin Krusche

Im Zentrum ihres Arbeitstages stehen Kinder. "Ich tu es wahnsinnig gerne", sagt die erfahrene Mutter und Großmutter. "Bei uns ist Theorie und Praxis eng verbunden." Eberl ist eine Gleisdorfer Tagesmutter. "Ich bin seit 13 Jahren dabei." Das hat Regeln und eine klaren Rahmen. "Die Ausbildung dauert sechs Monate", wo man rund 300 Unterrichtseinheiten absolviert. Dann macht man ein zweimonatiges Praktikum.

Das Muttersein lernen? Auch wenn man selbst längst Mutter ist? Nein, es geht hier um einen Schritt der Professionalisierung. Da man für die Kinder anderer Menschen sorgt, betont Eberl: "Ich fühle mich mehr verantwortlich als bei meinen eigenen." Es werden klare Vereinbarungen getroffen. Wünsche der Mütter zählen. "Bei Ernährungsfragen, beim Spielen, wenn ein Kind einen besonderen Bewegungsdrang hat, oder Allergieprobleme."

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Die Ausbildung von Tagesmüttern hat den Zweck, bestimmte Standards zu sichern. Als ergänzendes Angebot zu ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Kinder zu haben, die laufenden Versorgungsleistungen zu bieten und Berufstätigkeit mit all dem zu vereinen führt leicht zu dauernden Überlastungen. Ein Thema, das in dieser Gesellschaft immer noch ziemlich tabu ist. "Kinderschau’n. Das ist eh keine Arbeit, heißt es. Das gilt als nichts besonderes." Bliebe zu klären, warum so auffallend viele Menschen gerade dabei leicht an Grenzen stoßen. Warum Frauen oft überlastet sind, Männer sich großteils überhaupt zu diesen Aufgaben Distanz halten. Eberl fragt sich, warum so ein zentraler Bereich des Lebens allgemein eigentlich so gering geschätzt wird.

Sie sieht sich folglich nicht nur für die Kinder zuständig, die in ihrer Obhut sind. Eberl widmet sich in gewissem Ausmaß auch aktuellen Lebensfragen und -problemen der leiblichen Eltern, ist darauf konzentriert, daß es zu Lösungen kommen kann, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Sie sieht ihren Beruf sehr wesentlich der Aufgabe gewidmet, die Lebensbedingungen von Kinder zu stabilisieren. "Es geht mir darum, daß die Kinder Geborgenheit bekommen und Alltag erleben. Einfache Dinge wie Anziehen und Schuhe zubinden. Oder daß sie Gelegenheit haben, sich mit Haustieren zu beschäftigen. Liebe, Zuversicht und Geborgenheit. Da sein. Das brauchen die Kinder."

Es wäre von Nachteil, wenn man Müttern dafür ein schlechtes Gewissen machen würde, daß sie in der Berufstätigkeit für ihre Kinder Unterstützung bräuchten, weiß Eberl. "Wer Sorgen hat, kann doch am Arbeitsplatz auch nicht die Leistung bringen." Was immer den Druck erhöht, schadet überdies dem Kind. "Kinder lassen einen eh sofort spüren, was sie brauchen." Sie fügt an: "Wichtig ist, daß ich einer Mutter das Gefühl gebe: Ich kann mich da verlassen."

Wenn etwa im Kindergarten oder im Hort ein Kind aus Schwierigkeiten nicht herauskommt, helfen Tagesmütter. "In der großen Gruppe kann man oft auf ein bestimmtes Problem nicht genug eingehen. Da nehme ich mir Zeit. Daß ich erfahre, mit was das Kind nicht zurecht kommt. Und man muß den Kindern Zeit geben. Hyperaktivität, Verhaltensauffälligkeiten, das hat allgemein zugenommen. Das bestätigen mir Kindergartentanten und Lehrer. Da muß es Menschen geben, die die Kinder dann auffangen."

Die Tagesmütter sind für eine umfassende Begleitung gerüstet. Das schließt gelegentlich auch ein Baby ein. "Wir betreuen Kinder ab der Geburt. Bis zu 14 Jahren." Sie hat selbst schon einmal ein Kind acht Jahre lang bei sich gehabt. "Da sind wir durch Dick und Dünn gegangen." Und sie erinnert sich an ihr erstes Tageskind, das noch vier Geschwister erhielt. Das fünfte war dann auch bei mir." Da entstehen freilich Bindungen. Beziehungen. Trennungen sind absehbar. "Die Kleinen wachsen einem ja sehr zu. Das ist mir dann am Anfang sehr schwer gefallen. Aber das muß man lernen. Loszulassen. Es sind eben nicht meine Kinder."

Allerdings, "mit vielen Kindern und Eltern hab ich immer noch Kontakt." Um so ein bewegtes Leben in menschlicher Nähe und mit großen Emotionen auch bei allfälligen Krisenlagen sicher zu führen, absolvieren Tagesmütter regelmäßige Fortbildung. Eberl schätz auch die begleitende Supervision. "Wer das Gleiche macht und mich versteht", könne eben auch gut helfen, wenn es ein Problem zu lösen gibt. "Da steht die Firma stark hinter uns." Was die Dachorgansation steirischer Tagesmütter meint, die nun seit 25 Jahren wirkt. Übrigens: "Wir haben auch Tagesmütter, die selbst noch nicht Mütter sind." Was zählt, ist die Qualifikation.

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