unplugged.at: text #59 / martin krusche / portraits

(Kommunales, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Hannes Felgitsch / Coach
Von Martin Krusche

Der Gleisdorfer läßt keinen Zweifel daran, daß die Bildung lebenslang Anregung und gute Anlässe braucht. Wird ein Mensch geboren, ist er geradezu ein Wunder an Lernfähigkeit und Wißbegier. Warum kippt das oft schon wenige Jahre danach bei manchen ins Gegenteil? Felgitsch faßt seine Annahmen darüber eher dezent so zusammen: "Viele Menschen sind lerngeschädigt."

Es entsteht allerhand Lernfrust. Offenbar nicht nur in schulischen Situationen. Das kommt nach Auffassung des erfahrenen Trainers auch aus jahrelanger Übung im Vertuschen von Fehlern. Was überdies ein großer Nachteil für die Wirtschaft ist, betont Felgitsch. Denn da ist ein grundlegender Zusammenhang zwischen dem offenen Umgang mit Fehlern und dem Sammeln von Erfahrungen.

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Anders ausgedrückt, wie erwirbt man Problemlösungskompetenzen? Dazu müssen sich Erfahrung und Bildung treffen können. Es gab seit Beginn der Zweiten Republik große Anstrengungen von verschiedensten Seiten, die Menschen dieses Landes für ein "lebensbegleitendes Lernen" zu gewinnen. Felgitsch sieht die Initiativen dazu aber heute in manchen Institutionen etwas festgefahren.

Zugleich haben Veränderungen im Medienbereich uns alle Richtung "Informationsgesellschaft" gestoßen, ohne daß einigermaßen klar wäre, welche neuen Kompetenzen man dazu braucht und woher man sie bekommt. So hat Felgitsch einen Impuls gesetzt, der zu einem innovativen Bildungsprojekt führen soll. Der eben konstituierte Verein "LebensWissen – Wissen Leben" widmet sich einem Pilotprojekt, das von Gleisdorf ausgehen wird, um später nicht nur landesweit, sondern international Wirkung zu entfalten.

Mit "LebensWissen" meint Felgitsch die Gesamtheit des Wissens, welche ein Mensch im Laufe seines Lebens erworben hat. "Dazu gehören Schulbildung, Berufsbildung, akademische Bildung, Kunsterfahrungen, soziale Erfahrungen, Orientierung in unserer Gesellschaft ..." aber auch das, Wissen der Vorfahren, regionales, volkstümliches Wissen und kulturelles Wissen.

Aus seiner Arbeit mit Menschen in krisenhaften Situationen weiß Felgitsch, daß es häufig zu problematischen Selbsteinschätzungen kommt. Man findet ein "Ich kann nichts und ich bin nichts" bei Menschen, die eine ganz überraschende Vielfalt an Kompetenzen zeigen, wenn man genauer nachfragt. Man findet ebenso dieses "Wir müssen so tun als ob wir gescheit wären", was einen leicht daran hindert, die richtigen Fragen zu stellen, wo man eigentlich vom Wissen anderer profitieren könnte.

Im aktuellen Engagement von Felgitsch soll vorhandenes Alltagswissen als Schatz sichtbar werden, den man mit anderen teilen kann, ohne daß er dabei weniger wird. Ganz im Gegenteil. Wo sich dann ein Klima auftut, in dem Wissensgewinn als Wert angesehen wird, in dem Lernen auch als ein Vergnügen erfahren werden kann, ergeben sich eine Menge Querverbindungen zu anderen Bereichen. Was meint, daß eigene, vielleicht verborgene Qualitäten der Menschen eine Bühne erhalten sollen. Und daß ein Umschlagplatz für das geschaffen wird, was von außen dazu kommt. Im Sinne von etwas dazulernen können, aber auch selbst zur Quelle werden, aus der andere schöpfen.

So hat sich Felgitsch einer bildungspolitischen Aufgabenstellung gewidmet, zu der ja prinzipiell alle Menschen so wie sie sind etwas beitragen können. Zugleich möchte er diesem kulturellen Projekt eine professionelle Begleitung schaffen, die im ersten Jahr ihren Schwerpunkt in Gleisdorf haben soll, danach aber auf die Bezirksebene zielt, um sich schrittweise auch internationale Verknüpfungen zu erarbeiten.

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20•05