unplugged.at: text #63 / martin krusche / portraits

(Religion, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Alois Kowald / Dechant
Von Martin Krusche

Priester zu sein ist die Basis, um Pfarrer zu werden. Also eine Pfarre zu übernehmen. Ein Dechant ist für mehrere Pfarren verantwortlich, die in einem Dekanat zusammengefaßt sind. Darin zeigt sich freilich nur eine der Facetten dieses Amtes.

Der katholische Glaube („katholisch“ = das Ganze, alle betreffend) beruht auf der Vorstellung, daß jeder Mensch eine individuelle Beziehung zu und mit Gott hat. Aber diese Beziehung „hat keinen Zaun“, sagt der Dechant, sie ist „mit der Sorge um den Nächsten verbunden. Gottesliebe und Nächstenliebe sind untrennbar verknüpft.“ Das Fundament eines Berufes, der an einem Kreuzungspunkt zwischen geistlichen und weltlichen Zusammenhängen verankert ist. Pfarrer zu sein verlangt auch Qualitäten eines Unternehmers. Denn die Pfarre ist ein eigenständiger Rechtskörper, mit einem Standort, mit „Betriebsstätten“ und mit Angestellten.

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Kowald hat seine Priesterweihe 1986 empfangen. Nach dem erfolgreichen Abschluß eines Theologiestudiums und Besuch des Priesterseminars. Der Seelsorgepraxis als Kaplan, „sozusagen die Lehr- und Wanderjahre“, folgte seine Bewerbung für die Pfarre Gleisdorf, welche 1993 angenommen wurde. Heute ist Kowald Pfarrer von drei Pfarren. „Zum Dechant wird man allerdings gewählt.“

Der Geistliche ist mit den laufenden Veränderungen einer Gesellschaft befaßt, auch konfrontiert. Kowald betont aber, die Politik eines Staates sei nicht Aufgabe der Kirche. Die läge vielmehr darin, „Visionen und vergessene Dinge in Erinnerung zu bringen.“ Zur Säkularisierung der Welt, in der sich die Rolle der Kirche gewandelt hat, meint Kowald: „Wo den Menschen der Himmel abhanden gekommen ist und sie nur dieses Leben haben, um glücklich zu werden, haben es viele eilig, das Beste für sich herauszuholen.“

Zu den Konsequenzen solcher Befindlichkeiten betont Kowald: „In jeder Lebenswelt muß man fragen: welcher Geist bewegt die Dinge?“ Das sind Orientierungsfragen. Wo der Priester sich weltlichen Belangen zuwendet, geht es vielfach um soziale Aufgabenstellungen. Im religiösen Bereich lautet seine Order: „Ich habe den Auftrag, die Gemeinde immer wieder auf die Mitte hin zu orientieren.“ Diese „Mitte“ repräsentiert Jesus, dessen Leben als ein maßgebendes Ereignis gilt. Der Nazarener ist also ein Bezugspunkt. Denn die Positionen der gläubigen Menschen sind höchst unterschiedlich und in den Nuancen sehr kontrastreich. Kowald nennt als Bild dafür die Speichen eines Rades, die zu vielen verschiedenen Standpunkten hinführen. Aber ein Zentrum haben.

Was in der Praxis heißt: „Die Gemeinde zusammenhalten, in dem ich sie bei Christus halte.“ Wofür Kowald ein weiteres Bild nutzt, um sein Selbstverständnis klar zu machen: „Den Leuten die Füße waschen und nicht den Kopf.“ Was den Aspekt des Dienens in seinem Amt herausstreicht. Das hat auch einen stark an die Öffentlichkeit gerichteten Moment. Das „Zeugnis von meinem Ringen mit dem Evangelium“. Womit Kowald die Predigt meint. Jene Augenblicke, da er sonntags vor seine Gemeinde tritt, um dabei schon mal zu etwa tausend Menschen zu sprechen. Eine im Zeitalter medialer Distanz sehr bemerkenswerte Situation. Die sich in unserer Kultur auf eine gewaltige Tradition und Kontinuität stützt. Denn was zweitausend Jahre Kontinuität sind, fordert unsere Vorstellungsgabe erheblich ...

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