unplugged.at:   text #69 / martin krusche / features

(Verkehr, Automobil, Youngtimer)

• Feature: Youngtimer / Akzent in der Masse (Am Steuer kommender Klassiker)
Von Martin Krusche

Gebrauchtwagen sind – bittesehr! – eine ganz andere Geschichte. Chrom kommt zwar eben auch bei Neuwagen wieder in Mode. Doch Zierleisten und härtere Konturen waren vor wenigen Jahrzehnten sowas wie eine eigentümliche Schrift auf den großen Parkplätzen, die eigentlich längst verblaßt ist.

In jedem Jahrzehnt wiederholt sich die Klage über den „Einheitsbrei“ auf den Straßen. Solche Klagen scheinen zu den Menschen zu gehören. Jedenfalls seit über zweitausend Jahren. (Da wurde noch nicht Auto gefahren. Aber Speichenräder hatten die Vollscheibenräder an den Karren schon abgelöst.) Einige Autoren des antiken Roms klagten über die „heutige Jugend“. Das wiederholt sich eben von Generation zu Generation. Apropos Jugend! Das ist ja die Schlüsselbegriff zum Thema.

Was jemand in Jugendtagen als „Spießerauto“ nicht einmal verachtet hätte, kann 15 bis 25 Jahre später (also heute) durch technische und ästhetische Qualitäten sehr anziehend sein. Oder. Was jemand damals als Krönung seiner Karriere gefahren hat, wenn es beeindruckend gewesen ist, möchte man als alter Mensch vielleicht noch einmal auf sentimentale Art genießen. So hat sich, neben gediegenen Oldtimern, eine neue Szene herauskristallisiert, deren Schmuckstücke uns nun im Alltag begegnen: „Youngtimer“.

txt69a.jpg (23129 Byte)

Rover P6 wie aus dem Schachterl

Die sind wenigstens 20 Jahre, maximal 30 Jahre alt. Bei guter Pflege stehen sie auf dem Sprung zum Klassiker. Da schlagen Jünglinge ebenso wie Herren um die 70 zu. Warum? Diese wie jene denken wehmütig an früher. Erinnern sich etwa an den typischen Geruch eines bestimmten Innenraumes. Oder spezielle Sounds. Das Singen luftgekühlte Motoren, das Anziehen der Handbremse einer Volvo Amazone, derlei Besonderheiten klingen definitv unverwechselbar. Die Ansauggeräusche von Alfas und Fiats aus den 1970ern können einem erinnerlich bleiben wie die ersten Takte von Beethovens „Neunter“.

Seit Mitte der 90er rührt sich allerhand. Auffallender Zuwachs herrscht im Straßenbild heute vor allem bei Mercedes, Ford, Opel und VW. Es krabbeln nicht nur wieder viele „Käfern“ (VW Typ 1). Auch unter den Busse und Transporter (VW Typ 2) haben eine wachsende Anhängerschaft. Minis boomen wieder. Auch Nischen leuchten. Da ein junger Herr in einem Rover P6, dort einer in einem Camper auf Hanomag-Basis (Mercedes-Benz 206D). Und bei Feuerwehren werden immer noch gut erhaltene Nutzfahrzeuge ausgemustert, die private Fans finden.

txt69b.jpg (36874 Byte)

VW-Typ 2: FeineT2-Version mit mörderischen "Schlafaugen"

Es ist weniger das „überperfekte“, eher das „richtige Auto“ gefragt. Man hört vom fortgeschrittenen Liebhaber: „Überrestauriert? Das habe ich hinter mir. Da fährt man nur mehr nach dem Wetterbericht. Und läßt keinen einsteigen, der schmutzige Schuhe hat.“ Es gibt auch Verwegene, die mit ihrem Youngtimers Rennen fahren. Wobei ein 1er-Escort („Hundsknochen“) oder ein 2er-Manta schon mal einen mächtigen Blechschaden einfahren kann.

Die Behörde hat den Ruf, von pitzeligen Ingenieuren repräsentiert zu werden. Das Anmelden der in die Jahre gekommenen Wagen kann an erheblichen Hürden entlangschrammen. Welche an Fragen der technischen Makellosigkeit und aktuellen Bestimmungen festgemacht sind. Teure Fehler vermeidet man dabei besser durch sachkundigen Rat.

txt69c_citroen_maserati.jpg (30238 Byte)

Nur für Unerschrockene: Legende Citroen SM (Maserati)

Das Gesetzt kennt weder Young- noch Oldtimer. Historisch ist (laut Verkehrsminister-Erlass zur 26. Kraftfahrzeugsgesetz-Novelle) ein erhaltungswürdiges, nicht zur ständigen Verwendung bestimmtes Fahrzeug in akzeptablem Erhaltungszustand. Entweder mit Baujahr 1955 oder davor. Oder es ist älter als 25 Jahre und in die vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr approbierte Liste der historischen Fahrzeuge eingetragen.

Mit „historischen Kraftfahrzeugen“ ist man etwas eingeschränkt. Man darf nur einen Teil des Jahres fahren, muß ein Fahrtenbuch führen etc. Auf Wagen, die älter als 30 Jahre sind, werden sich also meist nur erfahrene Leute einlassen. Die sogenannte „Youngtimer-Szene“, ist da im Vergleich viel „kundenfreundlicher“. Und läßt einen im moderaten Preisfeld auch entspannter mit allen möglichen Widrigkeiten umgehen.


Die international übliche Klassifizierung von Automobilen:
+) Class A: „Ancestor“, vom Anbeginn bis 31. Dezember 1904
+) Class B: „Veteran“, vom 1. Januar 1905 bis 31. Dezember 1918, auch Edwardians (GB) oder Kaiserzeit (D) genannt
+) Class C: „Vintage“, vom 1. Januar 1919 bis 31. Dezember 1930
+) Class D: „Post Vintage“, vom 1. Januar 1931 bis 31. Dezember 1945
+) Class E: „Post War“, vom 1. Januar 1946 bis 31. Dezember 1960
+) Class F: „Wirtschaftswunder“, vom 1. Januar 1961 bis 31. Dezember 1970
+) Class G: „Youngtimer“, vom 1. Januar 1971 bis 31. Dezember 1980

[Andere Features]
[Martin Krusche: Home] [Kulturelles Terrain: www.kultur.at] [powered by T.U.B]


[core] [kontakt] [reset] [home]
30•06