unplugged.at: text #75 / martin krusche / portraits

(Kunst, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Herta Tinchon / Malerin
Von Martin Krusche

Sie ist die ersten Jahre ihrer Kindheit in einer Gleisdorfer Gastwirtschaft aufgewachsen. Im heute noch bestehenden Gasthof Wurm. Einen anderen Abschnitt der frühen Jahre durchlebte sie in der Gartengasse.

Eine ihrer Großmütter hatte seinerzeit etliche der geltenden Konventionen ignoriert und ihren Lebensunterhalt mit dem Unterrichten im Zitherspiel verdient. Dann gab es da diesen Großvater, der in einer Hauptschule unterrichtete und … Bilder malte: „Auf ganz klassische Art. Als Fünfjährige hab ich das schon enorm bewundert.“ Ein prägender Bezugspunkt gewesen.

Tinchon: „Das war dann immer mein Traum. Ich wollte zeichnen und malen.“ In den 1940er-Jahren schien es für ein Gleisdorfer Mädchen undenkbar, die Existenz als Künstlerin anzustreben. Tinchon entschied sich für die Lehrerbildungsanstalt. Wo sie bei einem höchst kunstsinnigen Lehrer Verständnis und Unterstützung fand.

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„Er hat die Kunstgeschichte gut gekannt und uns große Reproduktionen von moderner Kunst gezeigt. Da war ich sofort entflammt.“ Obwohl die „Moderne“ in der Malerei damals schon über ein halbes Jahrhundert alt gewesen ist, waren solche Zugänge hierzulande keineswegs üblich. „Picasso, über den haben sich die Leute damals ja sehr aufgeregt.“ Die Zeichensäle der Grazer LBA waren im Dachgeschoß, man konnte dort auch in seiner Freizeit immer arbeiten. Was Tinchon reichlich nutzte.

In all den Jahren mußte sie dennoch oft hören: „Geh, du mit deinen Schmierereien.“ Im „Kulturland Österreich“ war man eben an vielen Ecken noch längst nicht in der Gegenwart angekommen. Tinchon wurde Lehrerin, war in Volks- und Hauptschulen tätig. „Volksschule, die ganz Kleinen, mit denen war ich am glücklichsten.“ Natürlich mit einem Schwerpunkt in der Kunsterziehung.

Als Tinchon ihre beiden Kinder bekam, hatte sie den Traum Malerin zu sein fast begraben. Die Söhne sind heute als Architekt und Mediziner etabliert. Durch die neuerliche Begegnung mit dem Künstler Adolf Osterieder fand sie den Anstoß, der Malerei wieder mehr Raum in ihrem Leben zu geben. „Das drängende Verlangen danach ist ja immer da. Man kann ihm nur nicht jederzeit nachgehen.“ Es sei ein ständiges Suchen, sagt sie. Themen? Farben? Ausdruck? Alles! „Meist hab ich eine Vorstellung, die ich ansteuere, aber dann bekommt es seine eigene Dynamik.“ So entstehen ihre Werke im günstigsten Fall oft ohne Fragen: „Wenn es so fließt, da bin ich einem anderen Zustand. Da weiß ich dann vom Anfang bis zum Ende, wie es geht.“

Das handwerkliche Fundament ist da, langjährige ästhetische Erfahrung auch. Tinchon weigert sich aber, all zu sehr einem bestimmten Stil anzuhängen. Dennoch findet man eine durchgängige Handschrift. „Musik war für mich auch immer sehr wichtig.“ Sie begann als Zwölfjährige mit dem Chorsingen und hat es nie ganz aufgegeben. Interessante Randnotiz zu den Farbwelten: „Grün ist am leichtesten zu malen. Das erlaubt ganz viele Abstufungen. Rot und Gelb sind im schwierigsten.“

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