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(Handwerk, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Weiz)

• Portrait: Sepp Pfleger / Automechaniker
Von Martin Krusche

Die Großeltern begannen nach dem Krieg den Handel mit legendären Kleinwagen wie dem Glas „Goggomobil“ und dem NSU „Prinz“. Der Vater hat den Verkauf, den Service und die Reparatur eines breiten Sortiments eingeführt. Familien- und Sportfahrzeuge ebenso wie Nutzfahrzeuge. Der Sohn absolvierte die Mechaniker-Lehre und holte sich zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung.

Die Automobilbranche ist weltweit hart unter Druck. Der Familienbetrieb regelt das mit ganz individuellen Lösungen. Pfleger junior betont, daß Professionalität nur durch Zeit und Erfahrung komme. „Der Kunde muß merken, daß man weiß, wovon man redet.“ Der Vater war ihm sein bester Lehrmeister, sagt er. Und: „Ohne Ziele hat der Mensch keine Zukunft.“ Es geht also um klare Kriterien und Orientierung. Pfleger gibt viel auf Selbstdisziplin. Das hat gute Gründe.

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Sein Selbstbewußtsein wurde ihm nicht geschenkt. Denn er ist ohne Arme, also ohne Hände auf die Welt gekommen. Was ganz eigene Strategien verlangt, seinen Alltag zu gestalten. Sich „trotz des Handicaps in der Gesellschaft platzieren“, das geht unter solchen Bedingungen eben nur, wenn die Wege, die man findet, sich verläßlich bewähren. Reden und Tun müssen zusammenfinden. Oder, wie er über seinem Beruf sagt, die Theorie müsse sich in der Praxis einlösen. So sieht er das für seine Leben und für seinen Beruf. Keine Notlösung, sondern die beste Wahl. Für diese Qualität muß man entsprechenden Einsatz bringen. Pfleger erzählt aber auch von einer genossenen Jugend, die genauso von Parties und Action gehandelt hat wie die anderer Teenager. „Ich war kein Kind von Traurigkeit.“

Seine Hobbies wechseln über die Jahre, weil sein Interesse wandert. So hat er eine Weile große Automodelle mit Benzinmotoren gebaut. Der Maßstab 1:5 bringt ziemliche Brocken auf die Piste, die locker 80 Km/H schaffen. Inzwischen sagt er: „Mein Hobby ist das Relaxen.“

Klar, ein Familienbetrieb fordert unter der Woche jeden Beteiligten. Da will man hinterher ausspannen. Hinzu kommt, daß er heute eine blühende Frau an der Seite und ein kleines Kind in seinem Leben hat. Vater sein verändert vieles, deutet er an. Aber sein Privatleben hält er lieber bedeckt.

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Eine ungewöhnliche Tätowierung auf der linken Wade: Vlad III., genannt „der Pfähler“, im 15. Jahrhundert Herrscher der Walachei, war das historische Vorbild für Bram Stokers Roman „Graf Dracula“.

In der Freizeit bevorzugt Pfleger zur Zeit das „Liegen und Lesen“. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichtsschreibung. Es faszinieren ihn vor allem Mittelalter und Renaissance. „Was die Menschen unter diesen Lebensbedingungen geleistet haben, ist beeindruckend.“ Jüngere Geschichte hat für ihn ebenso ein paar interessante Seiten. Als er einen Blick in sein Zimmer erlaubt, ist da an der Wand ein besonderes Portrait zu entdecken. Von respektvollem Freiraum umgeben. Der herausragende Rennfahrer Jochen Rindt, in Graz aufgewachsen, einziger Formel 1-Weltmeister, dem dieser Rang nach seinem Unfalltod (1970) verliehen wurde. Und aus einer anderen Ecke schneidet AC/DC-Frontman Angus Young eine Grimasse. Aber das sind ebenfalls Privatangelegenheiten ...

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