unplugged.at: text #75 / martin krusche / portraits

(Handel, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Ulli Stibor / Schuhhandel
Von Martin Krusche

Der Großvater war ein Hutmacher in Pischelsdorf. Hüte sind nicht nur Teil des Sonntagsstaates gewesen, sondern auch Schutzbekleidung bei der Arbeit. Filzstreifen, die bei der Herstellung als Abfall blieben, ließen sich zu Patschen verarbeiten. Ein Geschäft, dem sich der Großonkel widmete.

Stibor sagt, daß damals die Nachfrage größer war als das Angebot. Wenn man wochenends mit vollen Kisten auf dem Pferdewagen nach Birkfeld fuhr, kam man mit leeren Kisten heim. „Wir haben über dem Geschäft gewohnt.“ Der Betrieb war stets gegenwärtig. Stibor hat eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Sie ging dann in die deutsche Metropole Hamburg. „Es war wichtig herauszufinden, daß ich ganz für mich bestehen kann.“ Allerdings: „Hamburg war natürlich faszinierend. Ich fahr auch gerne hin. Dort hat mir aber die Familie gefehlt.“

Als die deutsche Firma eine Expansion nach Österreich erwog, bekam Stibor ihre Chance und leitete sechs Jahre lang eine Dependance in Wien. „Der Weg nach draußen bringt einem Achtung ein“, sagt sie. Davor galt aber schon: „Mein Papa hat großen Weitblick. Ich durfte bei ihm auch meine Fehler machen.“ Denn nur durch solche Erfahrungen gewinnt man Kompetenzen, ohne die es nicht geht.

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Als ein kaufmännisches Prinzip nennt Stibor: „Egal wo du bist, wahrnehmen wer zu dir kommt.“ Was die Wünsche der Kundschaft betont, die beraten, aber nicht belehrt werden will. Stibor ist nun seit acht Jahren wieder in der Oststeiermark tätig. „Von meinen beiden Geschwistern hat sich keines für den Betrieb interessiert.“ Es lagen Entscheidungen an.

Heute sind es vor allem Schuhe und Taschen. „Wenn wir Schuhe bestellen, ist das sehr emotionsgeladen.“ So hat man etwa auf der Messe in Mailand acht Hallen vor sich, hunderte Anbieter, jeder mit etwa 100 Paar Schuhen. „Man kann sich ja nicht alles anschauen.“ Das sei unmöglich. Man müsse also mit Intuition entscheiden, wo man hineinschauen will. „Die sind spannend, verrückt angezogen, aufgedreht, da darf man als Einkäufer nicht abheben.“ Wie also entscheiden? „Ich denke dann an bestimmte Leute zuhause, ob die das tragen könnten. Wenn mir niemand einfällt, kaufen wir’s nicht.“

Stibor ist mit all dem aufgewachsen. Der Vater hat den Kindern beigebracht: „Was wir haben, ist nicht selbstverständlich.“ So war ihr auch immer klar, daß ihr im Beruf erheblicher Aufwand blüht. „Dafür kommt aber auch viel zurück.“ Stibor sagt: „Was ich gerade tu, mach ich mit voller Energie.“ Das betrifft auch den Zusammenhang zwischen Arbeit und Freizeit. „Es haut nicht hin, wenn man wartet, daß die Arbeit aus ist, damit das Leben anfangt.“

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Engagement sei wichtig. „Ich habe oft bei anderen gesehen, was man hat, kann ganz schnell vorbei sein.“ Geschäftlich heißt es demnach auch, ein gutes Team aufbzubauen und in Schwung zu halten. „Eine dauernde Gratwanderung.“ Sie sagt: „Ich will meine Leute nicht mit Umsatzzahlen erpressen. Wir sind momentan sehr erfolgreich unterwegs. Das geht nur, wenn die Mitarbeiterinnen gerne ins Geschäft kommen.“ Dazu gehört auch Klarheit über soziale Zusammenhänge: „Ich hab eine Verantwortung meinen Leuten gegenüber. Ich muß Entscheidungen treffen, damit die auch morgen einen Job haben.“

Durch das Internet und anderer Neuerungen müßten viele Menschen zum Einkaufen ihr Haus gar nicht mehr verlassen. Weshalb Stibor meint, „die Zusammenkünfte, die Begegnungen gewinnen an Wert und Bedeutung.“ Sie hat ein gut nachvollziehbares Credo: „Das Leben ist kein Probelauf.“ Apropos Lauf!

„Der Schuh hat sehr viel mit Wohlbefinden zu tun. Er zeigt aber auch, wie jemand drauf ist. Man verstärkt eine Befindlichkeit damit, drückt Stimmungen aus.“ Dabei überrascht einen freilich nicht, daß Stibor betont: „Für mich sagt das sehr viel aus, was jemand an hat.“

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Natürlich prägen Trends das Geschäft. Doch: „Österreich läßt sich das nicht so aufdividieren, wie zum Beispiel Italien. Unsere Frauen haben ihren Stil, probieren gerne was, lassen aber auch manches aus.“ Die Branche verändert sich laufend. „Von der Produktion wandert viel nach China. Das läßt sich nicht ändern. Aber ich kann mich erkundigen, welche Firma unter welchen Bedingungen produziert.“ Es zeigen sich im Kundeninteresse parallel oft unterschiedliche Tendenzen. Wie beispielsweise Jugendliche, die auf prominenten Marken bestehen und anderen, die Marken strikt verweigern.

Als Kontrast zum Geschäftsalltag schätzt Stibor Natur und Kultur. „Ich bin eine leidenschaftliche Reisende. Und ich gehe gerne in die Berge.“ Außerdem hat sie als Jugendliche Querflöte gespielt, das Instrument dann aber rund 15 Jahre weggelegt. Inzwischen ist Stibor aber wieder aktiv und holt sich bei der Stadtkapelle Gleisdorfs die nötige Übung. „Wenn du Musik spielst, kannst du an nichts anderes denken.“

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