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(Reisen, Abenteuer, Bezirk Weiz, Wetzawinkel)

• Portrait: Doris und Hubert Neubauer / Reisende
Von Martin Krusche

Touristisches Reisen ist eine Sache. Was völlig anderes ereignet sich, wenn man die Wildnis aufsucht oder in ganz fremde Kulturen eintaucht. Ein Frühstück zwischen den Obstgärten von Wetzawinkel hat also eher nichts gemeinsam mit dem Tagesbeginn in den Bergwelten Tibets oder in entlegenen Gegenden Alaskas.

Eine gute körperliche Konstitution ist ein Stück Lebensversicherung auf solchen Touren. Weshalb Hubert die Tage meist mit einem Lauf beginnt. Keineswegs jubelnd. „Ich drück mich oft schon im Bett herum, wenn ich laufen soll. Aber wenn ich draußen bin, taugt’s mir.“ Denn: „Ich muß und will mich fit halten.“ Als Berg- und Reiseführer hat er eine Verantwortung. „Ich kann ja nicht vor meinen Leuten eingehen.“

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Hubert: „Ich bin auch gerne wieder daheim.“ Doris (lacht): „Ja, drei Tage.“

Der gemütliche Küchentisch neben dem großen Aquarium bietet praktisch alles, was man sich hierzulande morgens so wünschen kann. An solcher Fülle hängen aber beide Neubauers nicht fest. Im Gegenteil. Doris betont: „Mir gefällt das einfach Laben besonders. Der ganze Firlefanz, von dem wir glauben, daß man sowas braucht, kann man weglassen.“ Auf Touren, weitab von Wohlstandsgesellschaften, heißt das eben: „Sie essen, was die Saison bietet, was gerade frisch ist.“

In der Behaglichkeit der Oststeiermark gibt es also Käse, Wurst, selbstgemachte Marmelade, Joghurt, Blutorangensaft, einen üppigen Gugelhupf. Auf Reisen gibt es gewöhnlich nur, was man mit sich führen kann. Das ist (aus unserer heimatlichen Sicht) nicht sehr viel, wenn man beispielsweise mit einem Kajak den Yukon River entlang fährt. Trotzdem sagt Hubert: „Jeder Indianer staunt, was wir so alles mit uns herumschleppen.“ Es wird das Tageslicht genutzt, deshalb „haben sie im Sommer in der Früh nicht viel Zeit.“ Doris: „In der Jagdsaison sind sie unterwegs.“ Da wird nicht gefrühstückt. „Da zählt, daß man was schießen kann.“

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Hubert: „Minus fünfzig Grad, das kann man sich nicht vorstellen.“
Das muß man schon erleben.

Auf dem Fluß zu sein bedeutet in der Regel, sechs bis acht Stunden pro Tag zu paddeln. Hubert: „Die viele Gegend kann dich auch erdrücken, fertigmachen.“ Gepäck und Proviant müssen in und auf den kleinen Booten Platz haben. Wovon schon ein guter Teil des Stauraums für die Beine reserviert bleibt. Und für den wasserdichten Koffer mit der Fotoausrüstung. Denn Bücher und Vorträge tragen dazu bei, die Reisen zu finanzieren. Die Essensrationen werden „in kleine Sackerln gepackt, die man nach und nach herausnimmt.“ Der Kajak hat ja keinen „Kofferraumdeckel“, sondern ist quasi eine kleine, dunkle Röhre. Hubert: „Da muß man mit Bedacht einpacken und gut planen.“

Trinkwasser braucht man auch an Bord, denn das Yukon-Wasser „ist so sandig, das kannst du nicht trinken.“ Was kommt nun in den entlegenen Winkeln der Welt auf den Frühstückstisch? Doris: „Wenn wenig Zeit ist, werden Haferflocken in Wasser aufgekocht. Etwas Trockenfrüchte hinein, damit es ein bißl Geschmack bekommt.“ Hubert: „Ich starte lieber zwei Stunden später, damit sich ein kräftiges Frühstück ausgeht. Es muß ja oft lang anhalten.“ Denn man kann zum Beispiel für etliche Zeit zwischen „Cutbanks“ gelangen, abgerissene, bis zu drei Meter hohe Uferböschungen, die einen daran hindern, den Fluß zu verlassen. Oder man geht acht Stunden mit schwerem Rucksack.

Bei ihren Abenteuern ist den Neubauers etwas ganz unverzichtbar: Polenta. Und wenn sie den Sterz auch noch in den Kaffee tun, wundern sich andere Reisende: „Was führen die Österreicher auf?“ Wenn genug Zeit bleibt, gibt es Pfannkuchen mit Sirup. Hubert: „Zum Feuermachen mußt du ja erst Holz suchen. Und dabei haben dich manchmal Millionen Moskitos.“ Doris: „Das kann so schlimm werden, daß du flüchten mußt.“ Brot kommt nicht mit, „das wird zu leicht schlecht“. Auf rund 2.000 Kilometern des Flusses findet man etwa alle 150 Kilometer ein Dorf. Da kann man zwar einkaufen, die Dinge sind aber enorm teuer. Man versorgt sich also besser selbst. Unterwegs ist viel zu tun, „jeder ist mit dem Überleben beschäftigt“, sagt Hubert. „Du willst es warm, du willst Schutz und brauchst was zu essen.“ Eskimos und Indianer sind mit so kargen Verhältnissen vertraut. „Sie leben am Fluß, du lebst am Fluß.“ Doris: „Wenn du wo ankommst, ist die erste Frage, ob du Wild gesehen hast, das man jagen kann.“ Hubert: „Und ob du genug zu essen hast.“ Als ebenso wichtig gilt, was an Gefahren da ist, wo am Fluß bedrohliche Stellen sind.

Die feinen Dinge? Mal bekommt man in einer Jurte ranzigen Buttertee angeboten, mal von Eskimos ein Elch-Steak. Und was wäre auf so einer Tour das Gegenstück zum heimischen Gugelhupf? Bei den Eskimos eine Art Eiscreme, die aus Walfett, Weißfisch und wilden Beeren zubereitet wird. Vor allem die mit unseren Himbeeren und Brombeeren verwandten „Salmon-Beeren“ aus der Tundra haben es Hubert angetan.

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