unplugged.at: text #116 / martin krusche / portraits

(Kultur, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Brodingberg)

• Portrait: Jaqueline Pölzer / Wandelbare
Von Martin Krusche

„Mir geht es um eine gute Organisation und daß es ein schönes Fest wird, ganz unabhängig von parteipolitischen Bindungen.“ Was Pölzer hier über ihren Part bei der Preisverleihung zum „Österreichischen Kinder- und Jugendpreis“ sagt, scheint sehr typisch für ihre Zugänge zu sein, die sich auf verschiedenen Gebieten auswirken.

Wirtschaft, Soziales, Kulturelles, Pölzer ist gewissermaßen von Tatendrang und Wissensdurst bewegt. Da reicht keinesfalls ein Beruf für ein ganzes Leben. Dazu meint sie: „Es kommt plötzlich was Neues, wenn du was Altes losläßt.“ Das ist nicht bloß so dahingesagt. Sie war ursprünglich „Arbeitslehrerin“. Handarbeiten und Hauswirtschaft.

Den Beruf gibt es nicht mehr. Der kommende Weg wies zur Landwirtschaft. „Ich bin am Stadtrand von Graz aufgewachsen. Wald, Wiese und Garten.“ Das bedeutete für sie und ihren Mann Tino: „Raus aus der Wohnung.“ Sie suchten „ein Häuschen mit Wald und Bach in der Nähe“. Was eine etwas heruntergekommene Keusch’n war, ist heute ein stattliches Anwesen. „Der große Grund mit den alten Obstbäumen hat uns auf die Idee gebracht, eine bilogischen Landwirtschaft anzufangen.“

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Nach etlichen Erfahrungen, die zum Verwerfen von Plänen führten, „Acker, Weizen, Hendln, Schafe“, das war’s nicht“, ist heute vor allem die Essigproduktion bestens in Schuß. „Wir exportieren inzwischen sogar.“ Das Ehepaar hat außerdem einige Jahre die Redaktion der „Kulmrundschau“ geleitet. Aber Pölzer ist immer wach für neue Vorhaben. „Und einen reinen Bürojob will ich sowieso nicht. Ich muß mit Menschen zu tun haben“. Weshalb sie inzwischen auch auf dem Feld der Erwachsenenbildung tätig ist und sich eine Hospiz-Ausbildung geleistet hat. Das liegt wohl zum Teil in der radikalen Erfahrung des Unfalltodes eines ihrer beiden Söhne. Trauer, loslassen, wieder lachen zu können, ein Leben zu führen, das weder in Selbstmitleid, noch in Verzweiflung verreibt. Da lag für sie die Herausforderung.

Fragt man genauer nach, merkt man, wo sich das vermutlich entscheidet. Es sei ganz natürlich, daß sich Menschen vor Veränderungen fürchten, meint Pölzer, aber man dürfe dieser Angst letztlich keine Chance lassen sich durchzusetzen: „Man muß sich bei jeder Veränderung von etwas verabschieden. Das mache ich immer sehr bewußt.“

Davon war wohl schon etwas in ihrer Herkunft angelegt. Ihr Vater ist heute 76, sagt von sich, er sei ein „französischer Bauernbub“. „Denn er ist in Frankreich aufgewachsen“, wohin Pölzers Großmutter einst ausgewandert war, um ein anderes Leben als das gewohnte kennenzulernen. So erklärt sich auch Pölzers Vorname Jaqueline. Eine Reminiszenz. 1945 hatte ihre Leute Frankreich verlassen müssen. „Neu Anfangen, das liegt so in unserer Familie.“

Damit ist sie heute sehr gut für eine Welt gerüstet, in der Veränderung das einzig Konstante ist, wo kaum noch jemand die Chance bekommt, sich einmal für einen bestimmten Beruf zu entscheiden und den auch ein Leben lang auszuüben. Pölzers Umbrüche. „Ich werde immer wieder gefragt, wie man damit umgeht. Ich weiß es nicht. Es geht eben.“

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13•07