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(Textilkunst, Österreich, Steiermark, Bezirk Weiz, Gleisdorf)

• Portrait: Gertraud Enzinger / Textilkünstlerin
Von Martin Krusche

Der Perspektivenwechsel scheint eines ihrer Lebensprinzipien zu sein. So kommt man stets zu neuen Ansichten der Dinge.

Enzinger stammt aus Hartberg, besuchte in Gleisdorf das Gymnasium, absolvierte ein Studium und war danach als Dolmetsch für Englisch und Spanisch tätig. „Ich hab lange in Graz gelebt.“ Sie erzählt von intensiven Reisen, die unter anderem nach London und Barcelona führten, was wohl einiges mit ihrer Profession zu tun hatte. In diesen Metropolen hatte sie Ende der 1970er-Jahre „tolle Ausstellungen“ gesehen. Arbeiten aus einem bei uns nicht gar so populären Genre: „Internationale Textilkunst“. Anfang der 80er sah Enzinger derlei auch in Wien: „Das war elektrisierend.“ Jene Eindrücke erwiesen sich als prägend.

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Als Mutter von vier Kindern war Enzinger dann etliche Jahre dieser familiären Verantwortung verpflichtet. Danach hatte sie beruflich den Wunsch „nach einer anderen Richtung“. Und zwar: „Etwas gestalten, was ich dann anschauen kann.“ Das führte zu dieser künstlerischen Praxis, in der „das Fließende, das Weiche, die textile Anmutung“ zentrale Rollen spielen. Denn: „Ich kann dabei mit Schichten arbeiten.“

Enzinger setzt freilich nicht nur herkömmliche Gewebe ein. „Ich verwende vieles, was aus anderen Bereichen kommt.“ Industrie, Baumarkt ... Sie experimentiert leidenschaftlich mit sehr unterschiedlichen Materialien. Dabei bezieht sie auch Anregungen von ihrem Mann Georg, der als Techniker mit manchem Material zu tun hat, das Laien nicht einmal kennen. Das Verformen durch Hitze hat ihr besonderes Augenmerk.

Enzinger sagt: „Transparenz“. Sie möchte „das Dazwischen“ einbeziehen. „Das vordergründig Sichtbare ist für mich nicht immer das Wichtigste.“ Das sind keineswegs bloß Prinzipien künstlerischen Tuns. Mit solchen Zugängen klärt man Lebenslagen. Doch im Zentrum ihrer Arbeit steht Konzentration auf das Werk: „Ich mache es in erster Linie für das Gefühl, das sich einstellt, wenn etwas gelingt.“ Sie fügt an, das Allerschönste an dieser Arbeit komme aus einem langen Prozeß, „wenn dann etwas dasteht, wie ich es mir vorgestellt habe“, das aber zugleich auch Unerwartetes zeigt.

Das wäre eigentlich eine sehr ideale Grundsituation für jedes Berufsfeld. Daß man Erfahrung und klare Vorstellungen mit der Offenheit verknüpft, daß darin auch Neues Platz finden darf. Damit geht Enzinger vorzugsweise in internationale Ausstellungen und Wettbewerbe. „Ich messe mich gerne mit sehr guten Leuten in aller Welt. Das macht mir großen Spaß, ist eine Herausforderung und zeigt mir immer wieder, wo ich stehe.“

In der Textilkunst sind Italien, die Niederlande und skandinavische Länder sehr exponiert. Enzinger hält aber Japan für herausragend. In Oberflächengestaltung, in der Nutzung von Licht und Raum, in der Einfachheit der Präsentation ... „Das sind wesentliche Themen.“ Entsprechend arbeitet sie selbst einerseits an ganz kleinen Objekten, andererseits an raumfüllenden Installationen.

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26•07