Comics in Österreich
ein kurzer Zustandsbericht
Seit den 1950er-Jahren, in denen der Psychiater Frederic
Wertheim mit seiner als psychologische Studie getarnten Hetzschrift Seduction
of the Innocent eine Comiczensurhysterie in den USA ausgelöst (link: Originaltext des COMIC
CODE) und Comics als gefährlicher als die Atombombe eingestuft hatte,
haben es Comics im deutschsprachigen, besonders aber im österreichischen Raum schwer;
zumal das von Hitlerdeutschland begeisterte Österreich ohnehin mehrere Jahre
Comic-Entwicklung verschlafen hatte (allerdings gab es zu Beginn der Erstarkung der NSDAP
einen österreichischen Zeitungscomicstrip namens Tobias
Seicherl von Ladislaus Kmoch, in dem der gleichnamige opportunistische
Protagonist und sein sprechender Hund allerlei lustigen Schabernack mit Nazi-Jungs treiben
durfte... wie man sich vorstellen kann, wurde der Strip bald verboten).
Wie leider so oft wurde zwar die Angst vor Comics in den nach Sicherheit süchtigen
Nachkriegsjahren aus Amerika importiert, nicht aber die Begeisterung, durch die das Medium
(die sog. 9. Kunst) in seinem Ursprungsland trotz Gräuelpropaganda überleben
und prosperieren konnte. Mit unreflektiert wiederholten Phrasen konservativer und
nationalsozialistischer Experten wurden Comics pauschal zu
amerikanisch-jüdischem (oder unmoralisch frankobelgischem) Schund
oder zumindest zu reiner Kinder- und Jugendunterhaltung (in frühen deutschen
Disney-Comics wurden etwa Schusswaffen akribisch retuschiert) erklärt. Bis heute wird man
in Österreich erstaunt beäugt, wenn man sich zB. in seriöser Kleidung in der
Öffentlichkeit in einem Comic lesend zeigt.
Akzeptanz auch in konservativen Kreisen erlangten ausschließlich die systemkonformen
Disney-Produkte (vor allem wohl wegen der pointierten nicht selten verharmlosenden-
Übersetzungen von Erika Fuchs, denen us-politische Konnotationen zum Opfer fielen) und
die frankobelgische Asterix-Serie, der vor allem liberalkonservative
Bildungsbürger verfielen, obwohl die zahlreichen politischen Anspielungen und Angriffe im
deutschsprachigen Raum mangels Wissen über französische Innen- und Regionalpolitik nicht
entsprechend gewürdigt wurden. Alle anderen Sparten (besonders Superheldencomics von
MARVEL und DC) wurden so man sie erstehen konnte- gelesen, aber nicht ernstgenommen,
geschweige denn als Anregung zur Entwicklung einer eigenen Szene genommen.
Mitte der Achtziger Jahre läuteten extrem kritische Comics wie Alan Moores und Dave
Gibbons Watchmen oder Frank Millers Batman - The Dark Knight returns
eine neue Ära ein. Plötzlich entstanden ganze Berge von Comics, die sozialpolitische,
philosophische, psychologische oder literarische Themen behandelten und von einer
wachsenden Lesergemeinde begeistert angenommen wurden.
In den 1990ern drängten vermehrt eigene Untergrund- und Kleinverlage auf den deutschen
Markt, der, mit Ehapa oder Carlsen als Marktführer, bisher von importierten und
übersetzten Comics aus dem spanischen, frankobelgischen oder englisch-amerikanischen,
später auch asiatischen (MANGA) Raum beliefert worden war. Österreich blieb Schlusslicht
und ist es bis heute. Selbst in ehemaligen Ostblockstaaten wie Tschechien oder Serbien
herrscht eine buntere Comickultur als im beschaulich-konservativen Österreich.
Jetzt, zu Beginn des 3. Jahrtausends der westlichen Kultur, haben Comics eine Bedeutung
erreicht, die vor allem in Österreich- immer noch nicht auf breiter Ebene rezipiert
wird. Obwohl mittlerweile ein nicht geringer Teil von mehr oder weniger anspruchsvollen
Hollywoodfilmproduktionen Comics als Skriptvorlage besitzen, existieren immer noch nur in
Wien und Graz branchenspezifische Comicshops. |
Ein kurzes, aber enorm wichtiges Auflodern dessen, was Österreich
im Comicbereich leisten könnte, zeigte sich deutlich in den späten Achtzigern in der
Person des Steirers Chris Scheuer (eine Art Falco des Comics), der
internationalen Kultstatus erreichte, bis er sich in selbstgewähltes Exil zurückzog.
Danach herrschte 10 Jahre lang fast Comic-Grabesstille. Ausser durchaus sinnvollen und
erfrischenden Billigstcomicprojekten -zuletzt im Freiraum/Museumsquartier Wien (cheap,
fast and out of control) und das "Comicfestival" Ende August bei
graz2003/Kulturhauptstadt Europas im Forum Stadtpark (wobei zu bemerken wäre, dass gerade
letzterer, von tonto kuratierter Anlass doch eine etwas grosszügigere Finanzierung und
günstigere zeitliche Programmierung (zeitgleich finden die Berliner Comicmesse und das
Münchner Comicfest statt) verdient hätte.
Doch gerade in diesen Zeiten, in denen
die 9. Kunst das multimediale Geschehen gravierend beeinflusst (ohne die ikonographischen
Wurzeln der Comic-Kultur wäre nicht nur die (visuelle) Sprache von Werbung, Film oder
Neue Medien um vieles ärmer... und sog. Onomatopöien wie Bumm, Huch
oder Peng, die ausschließlich Comics entstammen, sind fixer Bestandteil
unserer Kommunikation), beginnen die geistigen Barrieren zu fallen. Möglicherweise durch
das Nachdrängen von Personen, deren Jugend bereits mit Zeichentrick, Animé und Comics
untrennbar verbunden war, und die das mehr als ein Jahrhundert alte Medium in eine
Bedeutungsebene mit Kino, Fernsehen oder Literatur stellen, als zusätzliche, leicht
zugängliche Informations- und Unterhaltungsressource.
Das Revival des Comic resultiert auch ganz sicher aus der neuen Sprache der elektronischen
Medien, die Text, Bild und Multimedia harmonisch kombinieren; das magische Wort lautet
User Friendly und ist auch die Grundlage für den Erfolg von Comics.
Langsam beginnen das auch kulturpolitische
Entscheidungsträger zu begreifen und bekennen sich zaghaft dazu, das Medium ernst nehmen
zu wollen. Mit dem Vorstoß der steirischen und Grazer Kulturpolitik, die comic edition
preQuel finanziell zu unterstützen, könnte ein Präzedenzfall geschaffen worden sein,
der in ganz Österreich positive Nachwirkungen zeigt. Zum ersten Mal in der Geschichte von
in Österreich produzierten Comics konnte auch auf drucktechnischer Ebene internationale
Bestqualität präsentiert werden.
Österreich ist voll von talentierten und hochentwickelten und/oder evolutionswilligen
Comiczeichnern und -autoren. Durch die zunehmende Vernetzung untereinander via Internet
(prequel, tonto, mixercomics, ORFon comic, edition brunft, illustration.at etc.) werden
nachhaltige Kooperationen gefestigt, die in steigendem Maß in der Öffentlichkeit
sichtbar werden und Mut zu Eigenproduktionen machen, die ebenfalls übers Internet
vermarktet werden können. Darin unterscheidet sich der winzige österreichische
Comicmarkt vom großen deutschen: es wird einiges in Klein- und Privatproduktion
hergestellt und primär via World Wide Web verbreitet. Dadurch konnte das Dauerdilemma der
nicht vorhandenen Vertriebsstrukturen vornehm umgangen werden.
Das alles spornt an, bricht resignative Krusten auf und bringt die Kritiker zum Schweigen,
die der Szene in Österreich keine Zukunft zugestehen wollten, weil es keine große
Vergangenheit gibt. Österreich hat gerade jetzt das Potential, zu einer europäischen
Größe auf dem Comicsektor zu werden, die vor 10 Jahren niemand für möglich gehalten
hätte. Wollen wir hoffen, dass Wirtschaft und Politik (Sponsoring, Vermarktung,
Infrastrukturschaffung) die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechende Schritte setzen.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem reinen COMIC-FORUM STADTPARK?
Ein Anfang ist gemacht.
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