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Neues Schreiben

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Pollys Auslassungen

 

Wolfgang Pollanz

Die Aufregung um die neue Rechtschreibung hat sich in letzter Zeit ein wenig gelegt, nicht heraußen allerdings ist, ob sie jetzt kommt oder nicht, ob die Reform vielleicht doch noch einmal reformiert wird, ob man sie wieder rückgängig macht, und ob es überhaupt möglich ist, Rechtschreiben per Gesetzesbeschluß zu verordnen. Nun, wir wollen uns an dieser Stelle nicht in den Streit um die Gämse und die Imbissstube einmischen, nicht um die neuen Satzzeichen-Regeln und das fragwürdige Ableitungsprinzip bei einigen Schreibungen, wollen uns auch nicht mokieren über solche Seltsamkeiten wie den neuen Haarföhn, der jetzt nicht mehr ohne h geschrieben werden darf, weil ein bekannter deutscher Elektro-Konzern das Wort Fön hat patentieren lassen, oder den guten alten Kaiser mit ai, der schon die letzte Reform um 1900 überlebt hat, und an den (hintaneilender Gehorsam?) man sich jetzt wiederum nicht getraut hat. Wir wollen stattdessen uns einmal Gedanken machen darüber, ob diese Rechtschreibreform, über die die Leserschaft unserer Boulevard-Presse mit Schlagzeilen wie "Jetzt wollen sie uns das ß auch noch wegnehmen" aufgeklärt wurde, nicht vielleicht doch nur ein Reförmchen ist, ob es nicht doch etwas umfassenderer Veränderungen bedurft hätte, von denen, so die offizielle Stellungnahme der Reformkommission, deswegen Abstand genommen wurde, weil unsere (bekannt rechtschreibbewußte, Anm. des Kolumnisten) Bevölkerung, allzu umfassenden Erneuerungen zu negativ gegenüber stehe.

Nehmen wir also ganz einfach einen berühmten Text eines Klassikers (der kann sich darüber sowieso nicht mehr aufregen bzw. die Überführung seines Textes in die neue Schreibung nicht untersagen, wie dies eine Reihe bekannter und weniger bekannter österreichischer Autoren getan hat) und geben wir diesen in gemäßigter Kleinschreibung wieder (entsetzten Puristen sei entgegengehalten, daß der Text je schon unserer Schreibung angepaßt wurde, und der Geheimrat bekanntlich - wie damals, vor den Zeiten der gestrengen Dudenredaktion bzw. der ersten Rechtschreibreform durchaus üblich - ein und dasselbe Wort auf einer Seite gleich dreimal verschieden geschrieben hat). Hier die ersten Zeilen von "Die Leiden des jungen Werthers", die man, jetzt wo’s heraußen ist, daß Goethe schwul war, auch ganz anders liest: Wie froh bin ich, daß ich weg bin! Bester freund, was ist das herz des menschen! Dich zu verlassen, den ich so liebe, von dem ich unzertrennlich war, und froh zu sein! Ich weiß, du verzeihst mir's. Waren nicht meine übrigen verbindungen recht ausgesucht vom Schicksal, um ein herz wie das meine zu ängstigen? Die arme Leonore! Und doch war ich unschuldig. Wem dies allerdings noch nicht genug an Vereinfachung ist, dem seien hier noch einige weitere Schritte vorgeschlagen. Zunächst könnte man ja auch noch alle Dehnungen und Schärfungen wegfallen lassen: Wi fro bin ich, das ich weg bin! Bester freund, was ist das herz des menschen! Dich zu verlasen, den ich so libe, von dem ich unzertrenlich war, und fro zu sein! Ich weis, du verzeist mir's. Waren nicht meine übrigen verbindungen recht ausgesucht vom schiksal, um ein herz wie das meine zu ängstigen? Die arme leonore! Und doch war ich unschuldig. Als nächstes sollte man vielleicht alle Verschlußlaute vereinheitlichen, also nur mehr ein b statt eines b und eines p (das in Österreich sowieso immer wie ein b gesprochen wird, wie z.B. in Bollanz oder Bensionsreform), detto mit d und t, f und v, k und g etc., und dabei könnte man natürlich all die überflüssigen Doppellaute eliminieren, die Umlaute, das stumme h etc. Goethes Text bekäme dadurch eine ganz eigene Note, die ersten Zeilen des "Jungen Werthers" würden sich dadurch allerdings nicht wesentlich ändern. Schlimmer erginge es da schon einem berühmten Text eines gewissen Franz Gafga: Als gregor samsa eines morgens aus unruigen dreumen erwachde, fand er sich in seinem bed zu einem ungeheuren ungezifer verwandeld. Der nächste Schritt wäre dann eigentlich der logische: Um in unserem Zeitalter des Verkürzen und Verschnellerns endgültig alles aus der Schreibung zu entfernen, was auch nur irgendwie nach Redundanz (Rdndnz) ausschaut, könnte man am Ende noch all die überflüssigen Selbstlaute weglassen. Der "wrtr" von jhnn wlfgng vn gt ginge dann so weiter: Gnd ch dfr, ds, wrnd d gnsngn rz rr schwsdr mr n ngnm ntrhltng vrschft, ds n ldnschft n dm rmn hrzn sch bldd ... Wie, denken wir uns, soll man da jemals die 3800 Zeichen für diese Kolumne zustandebringen?

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Punkt

 

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