Beitrag #3
Sixth Annual Conference on Austrian Literature and Culture

"Für die Würde des menschlichen Lebens"
Von Margarete Lamb Faffelberger


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Dienstag, 11. September 2001: Die Welt wurde Zeuge eines Terroraktes von unvorstellbarem Ausmaß auf amerikanischer Erde. Ein immenser Verlust von Leben ist zu betrauern, der materielle Schaden beträchtlich, die Skyeline von New York für immer verändert, wie auch das Leben von vielen in den Vereinigten Staaten und Übersee.
Es tut uns gut, die weltweite Solidarität zu spüren, die uns auf ganz unterschiedliche Weise mitgeteilt wird. Wir beginnen unsere Toten zu begraben, während die tapferen Männer und Frauen der NY Feuerwehr und der Polizei weiterhin graben in der Hoffnung, Überlebende zu finden. Wir laufen wie in Trance durch den Tag und trauern, während unsere Staatselite uns sagt: Es ist Krieg.

Es ist wirklich wahr: Die Stelle des Ruins ähnelt einer Kriegszone mit Bergen von Schutt und verbogenem Stahl. Der Geruch von Feuer und Verwesung zieht durch dieses Areal. Doch der Katastrophenort wandelte sich zum Ort der Helden (wie Cardinal Egan, Erzbischhof von New York es bezeichnete).
Aus der Asche des Todes und der Zerstörung steigt der Geist eines starken Willens die Tragödie zu überleben und die Würde und Heiligkeit des einzelnen menschlichen Lebens und der ganzen Menschheit zu ehren.

Und daher gilt heute mehr denn je, auch wenn ein Urschrei nach Gerechtigkeit ertönt, so müssen wir doch einander die Hände reichen. Wir müssen uns gegenseitig kennen lernen, besonders jene Menschen und Personen, die anders aussehen und andersartig erscheinen, die nicht unbedingt die Werte und Normen, die wir schätzen, mit uns teilen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir übereinander und voneinander lernen. Denn aus Unwissenheit entsteht Angst. Und Angst führt zu Intoleranz. Und Intoleranz erzeugt Gewalt, Terror und Tod.

Habt Ihr die Geschichtslektionen des 20. Jahrhunderts gebührend studiert?
Erinnert Ihr Euch an die entsetzlichen Verbrechen gegen die Menschheit, von den Faschisten verursacht? Könnt Ihr Euch ins Gedächtnis zurückrufen die Miesere und das Leiden, das die Berliner Mauer den deutschen und osteuropäischen Menschen gebracht hat?
Wenn die Antwort ja ist, dann werdet Ihr Euch hüten, eine ethnische Menschengruppe oder eine bestimmte Religion als Schuldige anzuklagen und zu verurteilen für die Terroristenattacke der letzten Woche. Dann werdet Ihr keine Mauer bauen – nicht in Eurem Kopf und nicht in Eurem Herzen.
Dann werdet Ihr damit übereinstimmen, dass unsere Stimmen gehört werden müssen.
In welcher Sprache oder Tonlage auch immer: Wir müssen uns gegen Unwissenheit und Rassismus, Intoleranz und Hass mit aller Intensität aussprechen.

Währen der letzten Tage haben viele von uns in den Vereinigten Staaten auf den Aufruf reagiert, die amerikanische Flagge zu hissen. Jedoch die Geste des Zeigens dieses wichtigen Symbols soll keine Aufruf nach Rache und Vergeltung sein. Sondern im Gegenteil: Sie soll verstanden werden als Zeichen des Mitleids und der Trauer um die Menschen, die ihr Leben durch die Hände dieser abscheulichen Terroristen verloren. Wir trauern zutiefst um über 5000 Menschen in New York, Washington und in West Pennsylvania. Zusätzlich zu den vielen amerikanischen Toten und Vermissten trauern wir um Staatsbürger von 62 Ländern dieser Erde, die in den Zwillingstürmen ihr Leben ließen, darunter Deutsche, Schweizer, Inder, Kanadier und Russen.
Das Blutbad des Terrorismus hat ein globales Ausmaß erreicht.

Der unbeschreibliche Terroranschlag, von immensem Hass angespornt, geschah auf amerikanischer Erde. Was könnten die Gründe für die entsetzliche Verachtung der USA sein, die die Medien uns beinahe täglich in unsere Wohnzimmer senden? Wir dürfen uns nicht länger davor scheuen, ganz offen zu fragen. Im Gegenteil, es ist unsere Verantwortung, darüber nachzudenken und den Dialog auf interkultureller Basis zu beginnen, sich den schwierigen Themen zu stellen: Der Globalisierung und der damit verbundenen Ausbeutung von Arbeitskräften, den Menschrechtsverletzungen, die unter dem Schirm von weltweiter wirtschaftlicher und militärischer Dominanz geschehen; der selektiven wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung; der Verschwendung von Energieressourcen und der anscheinenden Gleichgültigkeit Amerikas gegenüber globalen Umweltproblemen; der Polarisierung von reichen und armen Ländern in der Welt.

Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und genießen das Privileg daran teilzunehmen, uns unseren individuellen Lebensweg gestalten zu können. Jedoch in dieser Stunde der Weltgeschichte ist unsere Zukunft bedroht. Daher tragen wir eine enorme Verantwortung, nämlich aktiv an einer öffentlichen Debatte über den Konflikt teilzunehmen, den der Präsident Bush, den ersten Krieg des 21. Jahrhunderts nennt. Wir dürfen den Prozess der Entscheidungsfindung nicht unserem Präsidenten und seinen Generälen allein überlassen. Unsere Stimmen, in welcher Sprache und Tonstärke auch immer sie erschallen, müssen gehört werden und fordern: Unsere politische Elite muss weise Entscheidungen zum Vorteil der Menschheit treffen und nicht dazu, in einen bewaffneten Konflikt zu eilen gegen einen fast unsichtbaren Feind.

Der erste Schritt muss sein: Die amerikanischen Staaten müssen die Institutionen wieder aufbauen und stärken, die für einen adäquaten Schutz auf amerikanischer Erde sorgen können. Darüber hinaus müssen unsere Politiker sich bemühen, multilaterale Maßnahmen zu ergreifen und internationale Allianzen zu bilden, egal wie lange dies auch immer dauern wird. Denn die multinationale Kooperation wird nötig sein, um die tödliche Terroristenmeute, die ihr Netz um den ganzen Globus gespannt hat, zu isolieren und letztendlich zu besiegen.

Nur dann wird die Menschheit wieder ein gewisses Maß an Frieden und Sicherheit zurückerlangen können.

(Kommentar aus den USA, Prof. Dr. Margarete Lamb - Faffelberger, Lafayette College, Pennsylvania, USA)

(Übersetzung: Kerstin Bast-Haider)
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