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(Cabrios, Automobil, Verkehr)

• Feature: Kopf im Wind (Cabrios)
Von Martin Krusche

Am Anfang waren (fast) alle Autos offen. Auf jeden Fall jene mit Benzinmotoren, die sich ja gegenüber jenen mit Dampfmaschinen erst einmal durchsetzen mußten.

Sieht man vom herausragenden (dreirädrigen) „Patent-Motorwagen“ des Carl Benz und einigen anderen Spezialitäten ab, sind die frühen Autos mehr oder weniger motorisierte Kutschen gewesen. „Benzinkutsche“ ist also ein sehr treffender Begriff.

Viele Bezeichnungen für Karosserievarianten stammen aus der Welt der Pferdewagen. Zum Beispiel „Berline“ für ein geschlossenes Fahrzeug und „Cabriolet“ für eines, dessen Klappverdeck geöffnet werden kann. Ein „Landaulet“ ist der Kompromiß zwischen beiden Bauarten.

Als sich bei Autos eigenständige Fahrzeugkonstruktionen herauskristallisierten, nannte man offene Wagen beispielsweise „Phaeton“, wenn sie eine Sitzreihe hatten, mit zweien sagte man folgerichtig „Doppelphaeton“. Geschlossene Wagen hießen „Sedan“ oder „Innenlenker“. (Daß der aktuelle VW Phaeton eigentlich ein Sedan und eben kein Phaeton ist, war den Marketing-Fuzzis offenbar völlig egal.)

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Der Lotus Elan ist eine Meilenstein unter den britischen Sportwagen.

Wie schon bei den Kutschen war eine Unzahl von Termini für unterschiedliche Karosserie- und Verdeckformen gebräuchlich. In Summe eine annähernd unüberschaubare Vielfalt an Bezeichnung, mit denen sich heute bestenfalls noch die Geschichtswissenschaft befaßt.

Fachleute unterscheiden durch Details der Bauweisen und Ausstattungen den Roadster vom Spyder, vom Cabrio und von anderen Unterformen. Puristen würden einen BMW Z8 niemals für einen Roadster halten, denn eines der unverzichtbaren Roadster-Merkmale, die aufsteckbaren Seitenscheiben (wie man sie heute noch am Morgan findet) sucht man am Bayrischen vergeblich.

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Was ein "echter Rodaster" ist, hat aufsteckbare Seitenscheiben,
wie dieser 1969er Morgan +8.

Sachkenntnis und Jargon trennen eben die Grüppchen. Wer will sich schon mit so pingeligen Sprachregelungen wie „Drophead-Coupé“ herumschlagen? Wo doch ein Coupé eigentlich zur „verlöteten“ Auto-Sorte gehört, aber der „weggeschmissene Kopf“ („Drophead“) dann doch ein Cabrio daraus macht, das in Amerika wiederum „Convertible“ (also: „Wechselbares“) genannt würde. Italophile werden freilich auf „Barcchetta“ bestehen, was „Schiffchen“ bedeutet. (Lassen Sie sich nicht dabei erwischen, „Bartschetta“ zu sagen, das wäre ebenso peinlich wie „Lambordschini“ oder „Dschia“!)

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Den Alfa Romeo Spider begrüßen sogar Auto-Laien mit einem Lächeln.

Heute hat sich „Cabriofahren“ begrifflich allgemein durchgesetzt und meint schlechthin: Oben offene Autos. Der vermutlich verbreitetste britische Frischluft-Flieger aus früheren Tagen ist, so schätze ich, der MG B. Eingebettet in einen Ozean von höchst unterschiedlichen Zweisitzern in allen denkbaren Größen, Stückzahlen und mit den erstaunlichsten Motorisierungen. Von den 174 ccm eines Messerschmitt KR 175 bis zu den sieben Litern einer Shelby Cobra. Sehr zahlreich sind auch die Verdeck-Varianten. Zwischen „Fetzendachel“ und „Hardtop“ gibt es zahlteiche Abstufunden. Ein „Targa-Dach“, wie es Porsche geprägt hat (Deckel zwischen Frontscheibe und Überrollbügel), läßt einen noch näher am Cabrio sitzen als die „T-Roofs“ etlicher Sportwagen, bei denen ein Mittelsteg stehen bleibt, wenn man die zwei Dachhälften demontiert hat. [Seite #2]

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