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Am Morgen danach |
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Von ShortCut #2 ShortCut
#2A |
Blitzende Augen, dachte sie, sind ja bloß eine
Interpretation, und sah in die Kaffeetasse. Augen blitzen nicht. Aber diese Fältchen um
die Augen und wie er ihr mit Blicken den Hof machte: eben erst angekommen, ein bißchen zu
laut, nach ihrem Geschmack, fast berstend von physischer Arroganz, reichlich groß
geraten, in engen Hosen aus dünnem Stoff, etwas verstaubt; wohl von einer langen Reise,
Anfahrt in den duftenden Süden, auf roter Erde nun, die Treppe heraufgepoltert, den
Hausherrn mit Vertraulichkeiten überschüttet und die herzkranke Patrona gedrückt, von
den Füßen gehoben. Was brauch ich den hier? dachte sie in die Kaffeetasse hinein. Der macht mich nervös! Trotz der herrschenden Mittagshitze verließ sie die überdachte Terrasse, kühle Nische in diesem Zweifamilienhaus, dessen Erdgeschoß Reisenden mit bescheidener Kasse offen stand. Zwei Badezimmer, eine Küche, mehrere Schlafräume. Sie holte ihre Tasche und verließ die rote Erde entlang der Weinhecken, die einen sauren Wein gaben. Der Strand war nicht fern. Am Nachmittag sah sie ihn dort auftauchen. Markant zwischen den anderen, gekleidet, als wäre er ein Satz Signalwimpel auf einem einsamen Schiff, auf Fahrt. Muß das sein? dachte sie in ihr Badetuch hinein. Der macht mich nervös! Und hoffte, er würde sie nicht entdecken. Als die Sonne sank, wanderte sie in die nahe Stadt, glühend von der Tageshitze und etwas Unruhe, die sich anfühlte als sei warme Milch in ihr übergegangen. Sie hatte Lust nach starken Geschmäckern des Meeres und einem schweren Wein, der nicht so nach schwerer Arbeit schmeckte, wie der Haustrunk ihrer Herbergsleute. So flogen die Stunden und mit summendem Puls fand sie ins Bett, schlief heftig träumend, ohne sich in der Morgendämmerung an Einzelheiten erinnern zu können. Die trockene Kehle schien sie geweckt zu haben, deshalb ging sie in der Vorraum, wo ein Kühlschrank allen Gästen zur Verfügung stand. Anschließend betrat sie das eine der Bäder, in dem, wie sie nun sah, der neue Gast heimisch geworden war. Sie staunte, daß auf der Ablage vor dem Spiegel ihr Zahnputzglas samt Inhalt zur Seite geschoben war, um anderen, offenbar seinen Dingen Platz zu machen. Tuben, ein Kamm, Rasierzeug und anderes. An der Wand links davon, da man sich hier in einem Winkel des Badezimmers befand, hing eine ausrollbare Plastiketagere mit Bürsten, Fläschchen und Beutelchen, mit Medikamenten, Zahnseide und kleinen Schachteln. Hinter ihr stand eine Waschmaschine der Patrona, mit einem gehäkelten Deckchen belegt, mit neuen Gaben versehen, Tiegel und Fläschchen, staunenswertes Zubehör eines peniblen Mannsbildes, eines Kerls um die vierzig, der entweder nicht mehr ganz gesund war oder aber atemberaubenden Aufwand trieb, es zu bleiben. Während sie noch überlegte, wo sie nun ihren paar Dingen wieder Platz verschaffen könnte, sie, die zuerst dagewesen war, fiel ihr Blick auf den Einstieg der Badewanne, jenen schmalen Durchlaß in der opaken Kunststoffverschalung, die rundum das Spritzwasser in der Wanne zu halten hatte. Auf dem kleinen Stück Wannenrand, vormals freier Zugang, lag etwas, das seine Badehose sein mußte. Wenn es ein Fensterbrett gäbe, vermutete sie, hätte er es auch noch okkupiert. So einer bist du!, dachte sie am Morgen nachdem er erstmals auf die Frühstücksterasse gepoltert war. Einer, den man mit einem nassen Handtuch erschlagen muß. Dabei bewegten sich ihre Lippen als würde sie die Worte aussprechen. [10/98]
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Sommerbild | |||
Von |
In einer Frühstückspension hebt der Gast seinen Hut zum Gruß, als er die Frühstückspension in Richtung Strand verlässt, wo er sich tagsüber aufhalten wird. Bevor er seinen Hut wieder aufsetzt, nickt er, als ob er sich versichern müsste, dass er es ist, der geht. [12/98]
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Sommerbild |
Von |
Als ob er sich in Stücken wüßte, die zu binden alle Kraft verlangt, die einem Mann verfügbar ist, so daß nichts bleibt - für andere. Er geht. [13/98]
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sommerbild eine reprise | |||
Von |
vincent van gogh [13/98]
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Am Morgen | |||
Von |
Jemand war entweder nicht ganz gesund oder
trieb einen atemberaubenden Aufwand, es zu bleiben, was die Sachen, auf die sie stieß im
Badezimmer, erklären könnte, oder aber auch ganz anders könnte es sein, dann nahm sie
die Gegenstände der Reihe nach an sich und zwar so: Die Tuben legte sie in die
Handfläche der Linken, hüllte dann darüber mit der Rechten, der Kamm hatte abgerundete
Zähne, die angenehm an der Wange fuhren, die Klinge war scharf, sodass sie ganz genau
aufpassen musste, sich nicht zu schneiden, usw., sie nahm also alles an sich, auch die
Bürsten, Fläschchen, Beutelchen, die Medikamente und die Zahnseide, die kleinen
Schachteln, Tiegel und nocheinmal, weil sie so kühl an ihr lagen, die Fläschchen. Mit größter Sorgfalt stellte sie ein jedes Teil genau an den Platz zurück, von dem es gekommen war. Zuletzt hob sie ihr Zahnputzglas von der Ablage vor dem Spiegel herunter und stellte es: zu den Tuben, zum Kamm, zum Rasierzeug, zu den Bürsten, zu den Fläschchen, den Beutelchen und Medikamenten, zur Zahnseide und zu den kleinen Schachteln und den Tiegeln und dann noch einmal zu den Fläschchen. Dann stellte sie ihr Glas samt Inhalt wieder zurück und sah im Hinausgehen, dass die Badehose, die über dem Wannenrand lag, nass war. [14/98]
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badezimmergeschichten | |||
Von |
eine badezimmergeschichte, also eine
geschichte, die in einem badezimmer spielt (ihren ort findet oder gefunden hat, was auch
hiesze stattgefunden hat), hat neben handelnden oder nicht handelnden, zumindest aber
möglicherweise (nach vorne, aber auch zurück gedacht) handelnden oder nichthandelnden
personen (unumgänglich) wasserabgebende und wasseraufnehmende vorrichtungen. gesetzt den
fall, es gäbe nur wasseraufnehmende vorrichtungen (waschzuber), müsste eine person oder
eine von zwei personen oder eine von mehreren personen oder zwei von drei, drei von vier,
u.s.w. das badezimmer (waschraum) verlassen und sich in einen anderen raum (die küche
bietet sich hierzu - vgl. wasserabgebende und wasseraufnehmende vorrichtungen - an)
begeben, um das wasser zu holen. es müsste sich dann um eine küche mit holzbeheiztem
ofen handeln und eine frau würde ihre röcke raffen. und schon hätte man einen
historischen roman oder einen kostümfilm vorliegen und keine (im engen wortsinn)
badezimmergeschichte. aufgrund der raumausdehnung eines badezimmers (vergessen Sie
hollywood) wird es sich übrigens tendenziell um eine oder zwei, maximal um drei personen
(anwesend) handeln, auch hier ist jedoch nicht zu vergessen und also einzubeziehen: nicht
anwesende oder möglicherweise anwesende personen. nichtsdestotrotz ist es unbedingt (es ist unumgänglich) notwendig, auf die neuerdings liebevolle zuwendung der raumgestalter, privat oder professionell, hinzuweisen, die sich gleichsam vorauseilend (visionär) nun doch auf die ausdehnung, die quadratmeteranzahl, eines solchen badezimmers auswirkt und überdies das nichtpersonale personal einer badezimmergeschichte in unabsehbare varianten aufspaltet. weswegen von vornherein einer jeden badezimmergeschichte (eben selbst und sogar einer badezimmergeschichte) ein verzicht innewohnt und ein verharren auf: handwaschbecken, badewanne, duschkabine, also den elementaren bestandteilen, nicht zu vergessen fliesen (der rahmen), und dann hat sich hierzulande das eine oder andere bidet etabliert. aber nicht als grundausstattung (schauen Sie sich doch um). ein (einziges, singuläres) handwaschbecken am morgen bringt kummer und sorgen (ab einem gewissen personalstand, beispielsweise familie, die kinder sind fünfzehn oder sechzehn und entdecken gerade allerhand, hier: die auswirkungen hygienischer eingriffe und diverser auftragungen aufs andere geschlecht) und wer kommt dran und wer braucht so (wie) lange, wer hat die zahnpasta schon wieder am beckenrand kleben lassen (der jüngste, nachzügler), beeil dich doch und erst die haare. doppelwaschbecken. harmonie, eine doppelharmonie, und wann kommt eigentlich die putzfrau (bedienerin). warum steht mein deostift (mein bac, dein bac) immer auf deiner seite und warum verschwinden die bicrasierer und wohin? (selbst da) badewanne. und es kann um den badewanneneinstieg gehen, auf dem eine nasse hose, vermutlich bade- und ganz sicher männerhose liegt. ein badezimmerfremdes, grundausstattungsfremdes utensil, dessenungeachtet am richtigen ort (wenn möglicherweise auch nicht am richtigen platz), sofern sie getragen oder nass oder beides ist, respektive war, zum beispiel am vorabend und nun, am morgen, bereits getrocknet ist. bekannter ist die sache mit dem fön oder der rasierklinge. ganz anders verhält es sich mit schaumbergen, die sich über (zwei) personen türmen, in (ihnen) erreichbarer nähe prickelt (selbstverständlich) champagner. eine frage des verhältnisses (der verhältnisse). die fliesen können dazuspiegeln und könnten geschichten erzählen, könnten sie es, also ich sag's Ihnen, u.s.w. die duschkabine hat eine schiebetür oder aber einen vorhang und birgt potentiell ein (ursprünglich vollständiges) blutrinnsal und ein auffangbecken mit saugstarker abflussöffnung, wie geschaffen, als ob sie dafür geschaffen wäre, rote fäden hinunterzuziehen. mit geräusch, versteht sich, und sie unterscheidet sich dadurch deutlich vom bidet, das eine dergestalt klare vorgabe vermissen lässt. der innungsmeister der installateure, ein anerkannter und aufrechter mann, vermutete unlängst in einem interview (fachzeitschrift), dass die badezimmerartikelvertreiber (grund- und ausbaustufe) gerade deshalb auf ihren bidets quasi sitzenblieben. er wasche jedenfalls seine hände in unschuld, was den geringen verkaufserfolg von bidets angehe. ein jeder möge sich selbst ein bild machen. und dieser aussage kann man sich nun anschlieszen oder nicht anschlieszen oder aber auch möglicherweise anschlieszen, eventuell mit einschränkungen. [23/98]
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pack die badehose ein ... | |||
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leg die seltsame unterwaesche da fein
saeuberlich auf den sessel und dann aber geht es los: mittenhinein in das pralle leben.
die schwester brauchen wir dafuer nicht. das kofferradio dafuer umso mehr. hinterm
hollerbusch zuenden wir uns dann die erste zigarette an. der bach stuermt neben uns dahin,
als ob er es ganz eilig haette, ins schwarze meer zu kommen. die luft steht still zu
mittag. auch ihr ist es zu heisz, um sich zu bewegen. in der badehose ruehrt sich was,
weil da maedchen rumgehen und wir ja schon und ueberhaupt dran denken duerfen. weils wahr ist. [25/98] |
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